Alles fing damit an, dass mein Freund Robert mir eine Beschreibung für eine Alpenüberquerung geschickt hatte. Eigentlich war für diesen Sommer der Montblanc Aufstieg geplant. Ich schaue in meinen Kalender, eine Woche Erholung zwischen beiden Touren ist möglich. Also denke ich mir, eine Alpenüberquerung zu Fuß ist die beste Vorbereitung für die Besteigung des höchsten Berges Europas. Die Tour geht über 7 Tage und beinhaltet das Erklimmen des Similaun Gipfels auf 3606 Metern Höhe. Höhentraining ist also auch dabei – Ich sage spontan zu.

Hier mein Erfahrungsbericht.

Tag 1:

Robert, Arne und ich treffen die restlichen Tour-Teilnehmer im Büro der Alpinschule Oberstdorf. Eine Familie mit zwei Töchtern, neun und zwölf Jahre alt und zwei weitere Jungs, Mitte zwanzig, aus München sind dabei. Der Vater erzählt, dass er diese Tour unbedingt machen wollte. Seiner Familie hat er als Ausgleich nach der Alpenüberquerung eine Woche Strandurlaub versprochen! Die Jungs waren eigentlich an einer Gipfel-Tour für Fortgeschrittene interessiert. Es hatten sich aber zu wenige Teilnehmer angemeldet, so dass die Alpenüberquerung schließlich die beste Alternative darstellte. Es sah ganz danach aus, als ob wir die kommende Woche mit einer Familie samt untrainierter Frau und zwei Kindern sowie den zwei Harakiri Jungs verbringen sollten.

Am Starttag unserer Alpenüberquerung fuhren wir mit einem Kleinbus in die Spielmannsau auf 1002 Meter Höhe, wo wir unseren Guide trafen, der uns vertretungshalber den ersten Tag unserer Tour begleite. Etappenziel ist die Kemptner-Hütte auf 1846 Metern. Es ist ein kurzer Marsch von circa drei Stunden – ganz gut zum “Warm werden”. Schon am Anfang der Besteigung kommen wir an einem Schild vorbei, welches an einen kleinen Jungen, der vor einigen Jahren an dieser Stelle verunglückt war, erinnert. Die Wege sind sehr gut instand gehalten und breit genug. Aber die Berge, wie wir später erfahren, fordern immer wieder ihren Tribut. Wir gehen wachsam weiter und sehen schon bald den ersten Schnee. Kurze Zeit danach passieren wir einen Tunnel. Er wurde von Bergarbeitern des Alpenvereins durch den Schnee einer Lawine gefräst. Die Bergarbeiter treffen wir auf der anderen Seite des Tunnels und sehen zu, wie sie für uns mit Hilfe einer Kettensäge eine Treppe in den Schnee schneiden. Es ist ein warmer Tag und trotz der kurzen Strecke sind wir alle froh an der Kemptner-Hütte anzukommen und unsere Zimmer beziehen zu können. Ich habe keine Duschmünzen gekauft und bin zu faul mich wieder anzuziehen, um welche zu holen. Ich lasse einen Schrei los, als mich das kalte Wasser unter der Dusche trifft. Ich würde nicht sagen, dass ich ein Warmduscher bin, aber von da an habe ich immer sofort Duschmünzen besorgt! Die Hütte ist sehr gepflegt und das Essen überraschend lecker!

Tag 2:

Am nächsten Tag treffen wir unseren Guide Felix, der uns die restliche Tour begleiten soll. Er wurde uns vorab als sehr geselliger Mensch mit breitem Grinsen beschrieben. Und tatsächlich erkenne ich ihn am nächsten Morgen an seinem freundlichen Lächeln. Felix ist direkt von einer anderen Wandertour zu uns gestoßen und entschuldigt sich für den Tag Verspätung. Wir starten früh und werden ein paar Minuten später mit dem Anblick spielender Murmeltiere belohnt. Sie nutzen die Kühle am Morgen, um sich den Hang herunter zu kullern. 30 Minuten später kommen wir zu einer Bergkuppe am Mädelejoch auf 1974 Metern und betreten Österreichischen Boden. Nach einer kurzen Fotopause geht es mit einem Abstieg durch das Höhenbachtal weiter. Der Fluss, an dem wir uns des Öfteren abkühlen können, endet im Tal in einem wunderschönen Wasserfall (1100 Meter). Wir machen unsere Mittagspause im Gasthof Bären in Holzgau und werden danach mit einem Kleinbus nach Madau gefahren (1454 Meter). Hier beginnt der Aufstieg zur Memminger Hütte (2242 Meter). Da ich für den Montblanc trainieren möchte, schicke ich meinen Rucksack nicht mit der Materialseilbahn hoch zur Hütte. Felix dagegen zieht seine Schuhe aus und bindet sie an seinen Rucksack. Er sagt ganz locker, er müsse für die harten Führungen, die demnächst auf ihn zukommen, etwas Hornhaut bilden – 788 Meter reiner Aufstieg, barfuß, Respekt!

Am späten Nachmittag erreichen wir die Memminger-Hütte. Robert und ich erklimmen von dort aus noch den Seekogel (2412 Meter). Wir erreichen die Spitze nach dreißig Minuten. Von diesem Punkt aus können wir den steilen Aufstieg, den wir an diesem Nachmittag bewältigt haben, ganz gut sehen. Zwei Frauen liegen oben im Gras und genießen die Aussicht über das Tal. Wir grüßen sie und im Gespräch verraten sie uns, wo sie Edelweiß gesehen haben. Ich hätte sie am liebsten gepflückt und mitgenommen aber Robert meinte zurecht, dass sie unter Naturschutz stünden. In diesem Moment bin ich der Meinung, dass sich die Alpenüberquerung schon allein für diesen Fund gelohnt hat! Wir setzen uns ins Gras und lassen unseren Gedanken freien Lauf. Am Horizont können wir die Parseierspitze (3036 Meter) und den Gatschkopf (2945 Meter) erkennen, der untere Seewisee und die friedlich grasenden Wildpferde sind ebenfalls klar zu erkennen.

Tag 3:

Am nächsten Morgen werden wir vor der Memminger Hütte von einer großen Herde Steinböcke verabschiedet. Es geht direkt ziemlich steil hoch. Wir überqueren Schneefelder und kämpfen uns an Schottermassen vorbei. Es ist noch nicht sehr heiß; wir schwitzen aber trotzdem ganz gut. Bei jedem Schritt nach oben geht es wieder einen halben Schritt zurück – es ist sehr anstrengend. Das letzte Stück kämpfen wir uns eine Felswand hoch, um an der Seescharte eine verdiente Pause einzulegen. Die Aussicht macht alle Aufstiegsstrapazen wett. Ab jetzt erwartet uns ein langer Marsch bergab durch das Lochbachtal und das Zammer Loch. Als erstes zeigt uns Felix, wie man mit Wanderstiefeln über steile Schneefelder “Skifahren” kann. Es macht tierischen Spaß. Wir legen uns allerdings oft hin und lachen uns über die tollkühnen Stunts kaputt. Am Ende klappt es bei den meisten ganz gut und wir kommen über die verschneiten Stellen schnell runter.

Unsere Mittagspause machen wir in einer Hütte mitten im Wald. Sie liegt ganz tief im Tal, ein Fluss rauscht an uns vorbei und spendet uns eine sehr willkommene Abkühlung. Wir essen alle eine leckere Brettljause (Wurst und Käse serviert auf Holzplatten) und erholen uns im Schatten der Bäume. Anschließend geht es eine gefühlte Ewigkeit einen sich am Berg schlängelnden Weg an einer Schlucht entlang. Eins der Mädels fragt, wie lange es noch dauert und es entsteht der Dauergag dieser Reise. Felix antwortet: “Noch 10 Minuten, und dann zieht es sich noch ein bisschen”. Der Vater brachte direkt den nächsten Riesenlacher, als Felix berichtet, dass er in einer Lawine bis zur Hüfte verschüttet war. Er fragt: “Und, hast du`s überlebt?”… Kein Kommentar 🙂

Wir kommen endlich am Hotel in Zams an. Ein 5 Sterne Hotel! Mit Schwimmbad und Saunabereich! Wir schmeißen unsere Stiefel und Wanderstöcke in den Skiraum, ziehen unsere Badehosen an und springen nach einer kurzen Dusche ins Wasser. Herrlich! Wir fühlen uns wie neugeboren.

Tag 4:

Ein Wahnsinns-Frühstücksbuffet erwartet uns am nächsten Morgen. Wir schlagen kräftig zu und starten kugelrund in den Tag. Jetzt direkt mit vollem Magen einen Berg hochmarschieren!!! Aber zum Glück geht es zuerst gemütlich mit der Venetbahn bis zum Krahberg auf 2208 Meter Höhe. Hier teilt sich die Gruppe auf. Die Jungs und ich möchten eine andere Route nehmen, um über den Venet zur Glanderspitze auf 2.512 Meter aufzusteigen. Felix erklärt uns die Route und bittet uns, auf das Wetter zu achten. Der Rest der Gruppe wählt die gemütlichere Wanderroute, am Berg entlang über die Gogelsalpe (2017 Meter) bis zur Galfunalpe (1960 Meter), wo wir uns später treffen sollen. Der Aufstieg verläuft über einen Wiesenrücken und wird am Ende etwas steiler. Ich frage mich, ob die beiden Jungs viel weniger Gewicht auf dem Rücken haben oder ob sie einfach viel fitter sind. Wahrscheinlich beides! Ich kämpfe mich tapfer hinter den beiden hoch und komme einige Minuten nach ihnen am ersten Gipfel an. Wir machen kurz Rast und genießen die Aussicht. Es zieht sich langsam zu, und wir beschließen, schnell zum nächsten Gipfel zu gehen. Der Weg geht über einen Bergkamm weiter. Es wird sehr windig und vor uns bildet sich eine dichte schwarze Wolkendecke. Wir kommen schnell zum zweiten Gipfel, bleiben eine Zeit lang stehen und beobachten dieses gewaltige Naturschauspiel. Es zieht zum Glück an uns vorbei. Mit diesen kraftvollen Eindrücken und Bildern treten wir den Abstieg an. Vor uns liegen einige Schneefelder, und wir kommen schnell mit der gelernten Skifahrtechnik den Berg herunter. Es entwickelt sich ein kleiner Wettbewerb, wer von uns zuerst am Treffpunkt in der Galflunalm ankommt. Wir laufen und springen den markierten Weg hinab, und beim Endspurt werde ich überholt. Ich kann auch mal als zweiter ankommen! Wir erreichen die Alm kurz nach dem Rest der Gruppe.

Wir machen gemeinsam eine kleine Pause und tauschen uns über unsere Erlebnisse aus. Auf der Galfunalpe bekommen wir einen der besten Kaiserschmarrn serviert, den ich je gegessen habe. Auch einen Blick in die Alm und vor allem in die Küche kann ich empfehlen. Hier hängen Eisenpfanne und Co. unter der Decke. Es sieht so aus, als sei die Zeit stehen geblieben. Wir brechen etwas später auf und erreichen am Nachmittag Wenns im Pitztal auf 980 Metern Höhe. Ein Bus wartet schon auf uns. Der Fahrer nimmt uns nach Mittelberg mit. Wir kommen im strömenden Regen an. Da es sehr ungemütlich und kalt ist, beschließen wir ein wenig in der Gletscherstube, auch bekannt unter Gletscher Stüberl, auf 1734 Metern zu warten. Nach einem starken Kaffee starten wir bei leichtem Regen den Aufstieg. Der Weg beginnt an einem Wildbach, den wir noch öfter überqueren müssen. Später kommen wir an den tosenden Wasserfällen vorbei, denen dieser Wildbach entspringt. Es ist eine ziemlich laute und gewaltige Szenerie. Bei dem 1000 Meter hohen Aufstieg müssen wir mehrmals Pausen einlegen und den Regen abwarten. Als wir einen Hügel erreichen, reißt die Wolkendecke pünktlich auf, und die faszinierende Gletscherwelt öffnet sich vor uns. Ich bin erstaunt über die Straße, die mitten im Gletschereis zu sehen ist. Riesige LKW’s fahren auf dieser Straße durch den Gletscher. Felix erklärt uns, dass dies der Versorgungsweg zu einer neuen Luxus Hotelanlage sei. Kein Kommentar! Er zeigt uns auch, bis wohin sich der Gletscher noch vor 10 Jahren erstreckt hat. Es ist erschreckend, wie schnell er sich zurückgebildet hat. Wir laufen weiter. Die letzten Höhenmeter spüren wir in unseren Knochen. Endlich kommen wir erschöpft und durchnässt zur Braunschweiger Hütte auf 2760 Metern Höhe. Zum Glück hat die Hütte einen warmen, belüfteten Trockenraum, wo wir unsere Klamotten aufhängen können. Die Zeit reicht noch für eine kurze Dusche bevor das Essen pünktlich serviert wird.

Tag 5:

Am nächsten Morgen starten wir bei gutem Wetter steil bergauf zum Rettenbach Joch (2990 Meter). Die Braunschweiger Hütte wird hinter uns immer kleiner und verschwindet irgendwann im Nichts. Oben werden wir mit einem großartigen Blick über die Gletscherregion der Wildspitze belohnt. Um Belohnungen geht es ja schließlich, sie sind unser Antrieb, und Belohnungen bekommen wir bisher massenhaft serviert. Sehr gutes Essen, komfortable Übernachtungen und Aussichten, die man mit Worten einfach nicht beschreiben kann. Und so geht es vom Rettenbach Joch weiter über den Panoramaweg. Eine Strecke, die immer wieder traumhafte Ausblicke auf die Stubaier und die östlichen Ötztaler Berge bietet. Wir machen eine Pause, legen uns auf glatte Felsen und dösen ein wenig vor uns hin. Die nächste Pause machen wir zwei Stunden später im Gras, an einer Stelle, von der aus wir unseren Zielort Vent schon sehen können. Der Ort ist aber noch weit entfernt. Die Strecke zieht sich und der andauernde Abstieg macht sich in den Beinen schmerzhaft bemerkbar.

In Vent angekommen, stürmen wir in eine gläserne Bar und erfrischen uns mit etlichen Radler. Felix macht sich schon auf den Weg, um die Hotelbuchung zu klären. Er kommt verwundert aus dem Hotel zurück und meint, für uns seien keine Zimmer reserviert worden. Nach Rücksprache mit der Alpinschule Oberstdorf erfahren wir, dass wir unsere Schlafgemächer in einem anderen Hotel beziehen dürfen. Das passt uns ganz gut, das “neue” Hotel ist nämlich eins der ältesten Häuser in Vent. Komplett aus Holz und so richtig urig. Das gute Abendessen gibt uns wieder Energie, und wir beschließen, den Abend in dem Lokal nebenan ausklingen zu lassen. Es wird ein sehr langer Abend… Irgendwann habe ich aufgehört Obstler, Williams Birne und alte Marille zu zählen. Über die regenerierende Kraft der Bergluft bin ich noch immer ziemlich erstaunt. Sie kann scheinbar Wunder bewirken. Am nächsten Tag stehen alle pünktlich und startklar am Hoteleingang. Ziel des Tages ist die Similaun-Hütte.

Tag 6:

Die Gruppe, mit Ausnahme von mir, nimmt die Möglichkeit des Rucksacktransports wahr. Der Hotelbesitzer bringt diese für uns mit seinem Wagen zur Martin-Busch-Hütte auf 2501 Meter Höhe. Wir laufen die ganze Zeit bei leichter Steigung bergauf. Es ist ein gemütlicher Spaziergang, und wir erreichen gegen Mittag, ohne große Anstrengung, die Hütte. Die breite Terrasse bietet eine schöne Möglichkeit zur Rast, und ich bekomme eine leckere Leberknödel-Suppe serviert. Nach der Pause fühle ich mich top fit und gehe als Erster in der Schlange den markierten Weg hinauf. Felix gibt mir sein Einverständnis vorzulaufen, und ich marschiere der Gruppe schnell davon. An manchen Stellen bin ich mir nicht sicher, wo der Weg entlang läuft, und so kehre ich zwei mal um, weil ich keine Wegmarkierung mehr finden kann. Bis hier verlief früher der Gletscher. Die Felsen sind zermalmt und zerplatzt von der Kraft des Eises. Ich muss teilweise von Fels zu Fels springen und einen Weg über fließende Bäche finden. Ich bin sicher, dass ich irgendwo falsch abgebogen bin. Ich laufe einfach Richtung Similaun weiter, bis endlich der Gletscher vor mir auftaucht. Die Gletscherzunge zieht sich in einer langgezogenen Kurve den Berg hinab. Ich klettere auf das Gletschereis und fühle mich einfach nur klein. Ich beschließe diesen Anblick länger zu genießen und auf den Rest der Gruppe zu warten. Eine halbe Stunde später sehe ich sie links von mir marschieren und suche mir einen Weg über den Gletscher, um mich der Gruppe wieder anzuschließen. Von hier aus geht es im Schnee steil hinauf bis zur Similaun-Hütte auf 3019 Meter. Leider ist die Sicht oben schlecht und wir beschließen, nicht wie geplant zur Ötzi Fundstelle unterhalb der Finailspitze zu steigen. Die beiden Jungs wollen trotzdem ihr Glück versuchen und kommen 45 Minuten später erschöpft und ziemlich unterkühlt zurück. Die Sicht sei gleich null, und sie hätten öfter das Gefühl gehabt im “Leeren” zu laufen.

Ich bin froh, dass sie wieder heil zurück sind, und wir mit dem gemütlichen Teil des Abends beginnen können: Robert’s Geburtstag! Ich hatte die Almwirtin schon gebeten, uns eine gute Flasche Sekt zu organisieren. Sie teilte uns mit, dass Kuchen backen auf dieser Höhe nicht ganz einfach sei, da man nur bestimmte Zutaten per Seilbahn geliefert bekomme. Sie verspricht allerdings, eine sehr gute, aber leider nicht ganz günstige Flasche Prosecco zu besorgen. Nach dem Essen kommt sie mit einer Kerze auf einem Stück Schokokeks und Sektgläsern zu unserem Tisch. Sie öffnet die Flasche und schenkt uns allen ein volles Glas ein. Komisch dachte ich mir, es sprudelt gar nicht. Hat das vielleicht etwas mit der Höhe zu tun? Wir prosten Robert zu und nehmen einen großen Schluck des vielversprechenden Sekts. Alle verziehen die Gesichter. Wow, was in Gottes Namen ist das?! Wir nehmen die Flasche genauer unter die Lupe und müssen laut lachen. Es ist eine sehr edle Flasche Vecchia Grappa di Prosecco. Also ein Grappa… aber was für einer… 42% Alkohol! Robert und ich fotografieren die Flasche und nehmen uns vor, eine davon in Meran zu kaufen. Später am Abend bringt die Wirtin tatsächlich doch noch eine Flasche richtigen Sekt vorbei. Sie verkündet, die Flasche gehe aufs Haus und trinkt noch einen mit uns. Ein sehr schöner, entspannter Tag neigt sich dem Ende zu und wir beten alle, dass sich der Nebel am nächsten verzogen hat.

Tag 7:

Wir stehen ziemlich früh auf, frühstücken und machen uns startklar. Draußen begrüßt uns der zweite Bergführer, der uns auf der Tour zum Gipfel begleitet. Wir teilen die Gruppe in zwei Teams. Der neue Bergführer nimmt Robert, Arne, die zwei Jungs und mich mit. Wir ziehen unsere Gurte an und werden nacheinander an einem Seil festgemacht. Wir laufen an dem Seil gesichert und in zwei Meter Abstand hintereinander den Berg hoch. Der Gipfel wird vom Nebel verhüllt, und wir wissen nicht, ob wir es bis ganz oben schaffen werden. Für mich ist es die erste Besteigung über 3000 Meter, und ich bin sehr neugierig, wie mein Körper darauf reagieren wird. Ich habe vorab viel über Höhenkrankheiten gelesen. Eines habe ich schnell gelernt: Hier habe ich Zeit, hier kann ich ganz langsam und sicher gehen. Schritt für Schritt im Schneckentempo. Es ist auch ganz gut so, denn wir laufen über einen Kamm. Es geht rechts und links steil bergab. Der Bergführer erwähnt nebenbei, wie tief es heruntergeht. Ich vergesse schnell die Höhe und konzentriere mich auf den nächsten Schritt.

Wir laufen über den Gletscher, während der Bergführer uns viele Informationen über die Gletscherwelt gibt. Schließlich erreichen wir den Similaun Gipfel auf 3606 Meter Höhe. Es ist extrem windig und kalt. Felix und der andere Bergführer drehen sich hier oben eine Zigarette und zünden sie geschützt vom Wind in der Jacke an. Danach holt der zweite Bergführer seinen Flachmann aus der Jacke, und die Flasche macht die Runde. Geschafft!!! Bergfest!!! Leider ist die Sicht sehr schlecht. Der beschriebene, faszinierende Rundblick über die Texelgruppe, Ortler und die Ötztaler Alpen bleibt uns verwehrt. Ich hoffe, dass wir am Montblanc mehr Glück haben werden. Wir beeilen uns mit dem Abstieg. Weiter unten sind wir vor dem kalten Wind geschützt. Wir gehen eine andere Route den Gletscher runter und überqueren einige Gletscherspalten. Anschließend machen wir eine kurze Rast in der Similaun Hütte, nehmen unsere Sachen und steigen steil ins Schnalstal ab. Unten angekommen ziehen wir unsere Schuhe aus und warten im gemütlichen Tisen-Hof auf den Bus, mit dem wir anschließend nach Meran fahren. Auf den Weg nach Meran hört der Fahrer, dass wir einige Mitbringsel und ein Geschenk für Felix suchen. Er schlägt uns vor, an einem Laden anzuhalten, in dem Produkte aus der Region direkt vom Bauern verkauft werden. Ich kaufe einige Flaschen Schnaps und einen edlen Obstler für Felix.

In Meran haben wir noch Zeit in die Stadt zu gehen und ein wenig zu shoppen. Ich kaufe noch etwas Schinken und einige Sorten Käse. Robert und ich finden auch ein Geschäft, in dem wir zwei Flaschen Vecchia Grappa di Prosecco kaufen!

Nach dem Frühstück in Meran fahren wir durch das schöne Vinschgau über den Reschenpass, Fernpass und Gaichtpass zurück nach Oberstdorf. Wir kommen gegen 13.00 Uhr in Oberstdorf an, wo wir noch ein Gruppenfoto machen, bevor wir die Rückreise nach Bonn antreten.

Mein Fazit zur Alpenüberquerung:

Es war eine wunderschöne Tour! Wir hatten bei unserer Alpenüberquerung viel Glück mit dem Wetter. Wir haben während der Tour kein einziges Gramm abgenommen!!! Und was ganz wichtig war, die Gruppe hat trotz großer Unterschiede doch gut zueinander gepasst. Tolle Bilder sind entstanden und Eindrücke wurden gesammelt. Wenn ich mir heute die Fotos anschaue, spüre ich die Natur und die Freiheit, die mich während der ganzen Wandertour umgeben hat. Ein Foto habe ich im Büro als Bildschirmhintergrund eingestellt. Das hilft für einige Minuten den Gedanken freien Lauf zu lassen. Das nächste Mal überquere ich die Alpen auf einem anderen Fernwanderweg, vielleicht bis Venedig. Auf jeden Fall war dies nicht meine letzte Alpenüberquerung!