Alpenüberquerungen auf dem Fernwanderweg E5 liegen absolut im Trend und sind schnell ausgebucht. Viele Wanderliebhaber entscheiden sich schließlich gegen den klassischen E5, stattdessen wählen viele alternative Routen. Gerhard ist die Route, Alpenüberquerung – genussvoll unterwegs gegangen und hat seine Erfahrungen für uns festgehalten.

Unterwegs auf einer alternativen Route

Tag 1: Tourstart in Hischegg / Kleinwalsertal ► Gemsteltal ► Geishornscharte ► Übernachtung auf der Mindelheimerhütte Gehzeit 5h

Tag 2: Rappenalptal ► Schrofenpass ► Taxitransport im Lechtal nach Boden ► Bschlabsertal ► Übernachtung auf der Hanauer Hütte Gehzeit: 5h

Tag 3: Dremelscharte ► Steinsee ► Alfutzalm ► Taxi nach Zams ► Ventberg, Übernachtung im Hotel Gehzeit: 6h

Tag 4: Abstieg nach Winkel ► Busfahrt ins Pitztal ► Braunschweiger Hütte Gehzeit: 7h

Tag 5: Pitztaler Jöchel ► Rettenbachferner ► Kurzer Bustransfer ► Panoramaweg nach Vent ► Übernachtung im Hotel Similaun Gehzeit: 6h

Tag 6: Martin Busch Hütte ► Similaun Hütte ► Schnalstal ► Taxitransfer bis ins Hotel in Meran Gehzeit: 7h

Tourstart – Tag 1

Bereits am Vortag war ich im Kleinwalsertal angekommen und hatte die Nacht auf einem Campingplatz in meinem VW-Bus verbracht. Hatte die Wetter-App nicht schönes Wetter vorhergesagt? Es hatte die ganze Nacht geregnet und der Morgenhimmel war trüb und verhangen – egal. Trotz der Packliste aus dem Internet blieb die Unsicherheit – hab’ ich wirklich alles eingepackt? Zu viel oder zu wenig?

An der Bergschule in Hirschegg angekommen, ging alles ganz schnell. Auto parken, Voucher abgeben, und dann stand man schon inmitten anderer Wanderer. „Macht Ihr auch die Alpenüberquerung?“ „Hast Du schon eine solche Tour gemacht?“ „Was hast Du eingepackt?“ Thomas, einer unserer Bergführer wog unsere Rucksäcke: „Fast 11 kg, was kannst Du noch da lassen?“. Nach einigem Überlegen, beschloss ich Verbandszeug, eine Hose, T-Shirt, ein Paar Socken und Rasierzeug wieder auszupacken. Thomas wog nochmal: „ 9,4 kg…wie fit bist Du denn?“ Mir fiel nichts mehr ein, was ich noch auspacke könnte: „Wird schon gehen.“ Nach der Begrüßung der Wanderer, verteilte Thomas die Trinkflaschen und verkündete, dass wir uns auf den Weg zur Mindelheimer Hütte machen. Er stellte noch den zweiten Bergführer Peter vor – „Willst Du noch was sagen?“. Peter: „Nein“ und „Auf geht´s!“

Mit dem Linienbus fuhren wir ein paar Stationen bis zum Gemsteltal. Von der Haltestelle wanderten wir in flottem Tempo auf einem breiten Weg etwa eine Stunde zur Station der Materialseilbahn der Obergemstelhütte. Hier konnten wir die Rucksäcke abgeben und stiegen nur mit den Trinkgurten zur Hütte auf. Inzwischen hatte Nieselregen eingesetzt und die Steine des relativ steilen Aufstiegs waren ziemlich rutschig – Konzentration war gefordert. In der eingeplanten Zeit erreichten wir die Gemstelhütte und es klarte bereits wieder auf. Auch wenn wir erst zwei Stunden unterwegs waren – ein Paar Wiener und ein Radler schmecken immer. Schließlich hatten wir noch 3 Stunden Gehzeit vor uns.

Mit angenehmen Tempo und bei Sonnenschein ging es weiter – Zeit, sich ein wenig kennen zu lernen. Schon am ersten Tag deuteten sich Leistungsunterschiede an, die Bergführer gingen jeweils am Anfang und am Schluss der Truppe. Die große Gruppe zog sich, besonders an den brisanteren Stellen weit auseinander. Aber das Schöne war, keiner verlor ein Wort darüber, nicht die Bergführer und nicht die Gruppenmitglieder. Ich fand es am angenehmsten, in der Mitte der Gruppe zu wandern, weil mir viel Zeit blieb, um Natur und Berge zu beobachten oder Fotos zu schießen – ohne das Gefühl zu haben, jemanden aufzuhalten oder zu weit zurück zu fallen.

Kurz vor der Geishornscharte querten sogar die in der Tourenbeschreibung versprochenen Steinböcke etwa 10 Meter vor unserer Nachhut den Weg. Bei der Scharte änderte sich das Wetter plötzlich, es begann zu regnen und der aufkommende Wind war kalt und ungemütlich. Auf die Idee, die Regenhose über zu ziehen, kam ich leider erst, als die Oberschenkel schon durchnässt waren. Das schlechte Wetter erwischte uns dummerweise an der schwierigsten Stelle der Etappe. Nach dem Abstieg sahen wir gegen 17 Uhr erleichtert die Mindelheimer Hütte vor uns liegen.
Die feuchte Kleidung hängten wir in den Trockenraum und bezogen die Schlaflager. Um 18.30 Uhr gab es ein sehr leckeres und reichhaltiges Abendessen. Die Schüsseln und Platten mit Leberknödelsuppe, Salat, Sauerbraten und Knödel wurden einfach familiär auf den Tisch gestellt. Hungrig aufgestanden ist hier bestimmt niemand. Gegen 22 Uhr gingen wir schlafen. Ein toller erster Tag. Während die ersten im Schlaflager schon tief schliefen, machte ich mir so meine Gedanken: Morgen geht es 800 m bergab – halten meine Knie durch?

Tag 2

Um 7 Uhr gab es ein herzhaftes Frühstück und die Bergspitzen erstrahlten schon im Sonnenlicht. Draußen war es noch recht frisch. Um 8 Uhr brachen wir auf, leider gab es kaum Infos über die Tagesroute und auch Peters Ansprache fiel kurz und knapp aus: „Guten Morgen, Pack ma´s“.

Zunächst stiegen wir etwa 1,5 Stunden ins Rappenalptal ab. Der schmale, lehmige Pfad war vom Regen noch sehr rutschig. Nicht wenige von uns landeten mit dem Hintern im Dreck, was aber außer schmutzigen Hosen keine weiteren Folgen hattet. Auf der anderen Talseite konnte man schon den Aufstieg zum Schrofenpass erkennen. Der halbstündige Aufstieg am Fels entlang ist spektakulärer, an einigen Stellen sind Stahlseile zum Festhalten im Fels verankert. Nach einer kurzen Pause am Schrofenpass (1681m) erreichten wir nach einer gemütlichen, einstündigen Wanderung durch Almwiesen das Holzgauerhaus zur Mittagsrast. Bei herrlichem Sonnenschein genossen wir den wunderschönen Blick ins Lechtal und ließen uns dabei sehr leckeren Apfelstrudel schmecken – Was will man eigentlich mehr? Wir wurden von Taxibussen abgeholt und durchs Lechtal bis nach Boden chauffiert. Nach einer Stunde einfacher Wanderung auf einem geschotterten Fahrweg erreichten wir die Materialseilbahn zur Hanauer Hütte. Obwohl wir wieder unsere Rucksäcke abgegeben hatten, ist die Etappe recht anstrengend. Aber der traumhafte Anblick, der sich uns nach 1,25 Stunden bietet, entschädigte uns für die Anstrengung.
Wir waren bereits um 15.30Uhr auf der Hütte und konnten so bis zum Abendessen das malerische Panorama bei bestem Wetter genießen. Wissenswert hier ist, dass auf der Hanauer Hütte alle in einem Lager untergebracht sind.

Tag 3

Nach einem reichhaltigen Frühstück starteten wir um 8 Uhr zur nächsten Etappe. Zunächst stiegen wir sehr langsam einen steilen Schotterhang hinauf. Auf dem folgenden flachen Teilstück durch die karge, schroffe aber beeindruckende Felslandschaft konnten wir wieder Kraft schöpfen für die letzten Höhenmeter hinauf zur Dremelscharte. Für den Aufstieg befestigten wird diesmal die Stöcke am Rucksack und auch die Reihenfolge wurde geändert – die Langsameren gingen nach vorne und die Schnellen bildeten den Schluss. Auf den letzten Metern war wirklich Trittsicherheit gefordert und obwohl Stahlseile als Halt am Fels befestigt waren, gelangten einige an ihre Grenzen. Aber unsere beiden Bergführer waren da und gaben Sicherheit und Anweisung. Auf der Scharte war leider nicht genug Platz für alle und so ging es sofort wieder an den Abstieg.

Schon bald kam der türkisblaue Steinsee in unser Blickfeld – ein sehr beeindruckendes Motiv. Das Ziel – endlich die Schuhe ausziehen und Füße in den See halten. Am See steige ich kurzentschlossen in die Badehose und stürze mich in den See. Nach ein paar Metern wurde es doch empfindlich kalt. Nach der Erfrischung waren es noch etwa 20 Minuten bis zur Steinseehütte. Nach der Pause ging es durch niedrige Kiefernbüsche bergab bis wir nach etwa 2,5 Stunden mit schmerzenden Knien und Zehen einen Wanderparkplatz erreichten. Hier wurden wir wieder von Taxibussen abgeholt und zur Seilbahn nach Zams gebracht.
Da sich mittlerweile doch Bedarf an Blasenpflastern, Mittelchen gegen Erkältung und Magenprobleme ergeben hatten, machte das Taxi noch einen kleinen Abstecher zu einer Apotheke.
Mit der Seilbahn fuhren wir auf den Venetberg. Gleich neben der Gipfelstation übernachteten wir in einer modernen Unterkunft, mehr Hotel als Hütte. Das Selbstbedienungsrestaurant hatte zwar genauso wenig Flair wie das Hotel, aber das Essen ist gut und die Zimmer sind toll. Ich hatte das Glück ein Doppelzimmer mit Bergblick und Infrarot-Sauna zu ergattern.

Tag 4

Der Tag begann mit einer gemütlichen Wanderung den Berghang entlang über die Googlesalm zur Larcheralm – ideal um den Muskelkater der letzten Tage heraus zulaufen. Dann begann der Abstieg nach Wenns, und bei mir machten sich die Knie bemerkbar, aber mit Stöcken schaffte ich es ganz gut.
Unten wurden wir wieder von Taxis abgeholt und an das Ende des Pitztals gebracht. Auf einem geschotterten Fahrweg gingen wir etwa 30 Minuten bis zur Stärkung auf der Gletscherhütte. Auf dem Weg ging es zu wie auf einer Autobahn – Wandergruppen und Einzelwanderer in beiden Richtungen. Man merkte, dass wir uns nun auf dem E5 befinden. Gleich hinter der Hütte befindet sich die Talstation der Materialbahn der Braunschweiger Hütte, wo wir wieder unsere Rucksäcke abgaben. Über große Steine führte der Weg zu einem Wasserfall. Beim Aufstieg waren teilweise ziemlich hohe Tritte zu bewältigen, was bei der Hitze ganz schön anstrengend war. Eine halbe Stunde vor dem Ziel sahen wir das erste Mal den Gletscher vor uns. Es ist ein absolutes Hochgefühl, oben auf der Braunschweiger Hütte angekommen zu sein und das atemberaubende Panorama zu erleben. Am Abend ließen wir uns es auf der Hütte richtig gut gehen.

Tag 5

Nach dem Gruppenfoto brachen wir auf, aber natürlich nicht ohne Peters obligatorischer aber leider nicht sehr informativen Morgenansprache: „ Guten Morgen, pack ma`s!“. Ein schmaler Wanderpfad führte langsam ansteigend den Berghang hinauf in Richtung Pitztaler Jöchel. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur wanderten wir gegen das Sonnenlicht. Ein toller Anblick. Oben werden wir mit einem atemberaubenden Rundblick belohnt. Die Stimmung in mir lässt sich kaum beschreiben, aber auch in den Gesichtern der Anderen konnte man die Begeisterung problemlos ablesen.

Der steile Abstieg auf der anderen Seite führte ein kurzes Stück über ein Schneefeld. Durch die starke Sonne hielten die Tritte im Schnee nicht – jemand stürzte und rutschte ein kurzes Stück auf dem Hintern nach unten. Was anfangs noch witzig aussah, wurde schnell ernst, als ein zweiter mitgerissen wurde und dieser ebenfalls ein Stück nach unten rutschte. Gottseidank, es war nichts Schlimmeres passiert.

Hochkonzentriert und vorsichtig ging es nun weiter. Nach etwa einer Stunde Abstieg machten wir Rast bei einem sauteueren SB-Restaurant zu Füßen des Rettenbachferner-Skigebiets. Mit zwei Taxibussen wurden wir zum Einstieg des Venter Panoramawegs am Tiefenbachferner gebracht, die Fahrt dauert lediglich 10 Minuten. Der Panoramaweg trägt seinen Namen zurecht. Während der gesamten etwa 3,5 stündigen, gemütlichen Wanderung hat man einen beeindruckenden Blick auf die Ötztaler Alpen. Wir erreichten die uninteressante Ortschaft Vent und das Hotel Similaun. Neben dem Hotelnamen prangten 4 Sterne…und so war auch das Essen, jedenfalls von der Menge her – Wir plünderten das Salatbuffet.

Tag 6

Nach dem Frühstück wanderten wir in gemütlichem Tempo etwa 2,5 Stunden auf einem Fahrweg zur Martin-Busch-Hütte. Der versprochene Rucksacktransport fiel allerdings wegen eines Bergrutsches aus. Bei dem schönen Wetter kamen wir bei den letzten Steigungen vor der Hütte doch ein wenig ins Schwitzen. Während der Rast konnten wir auf der Terrasse den Murmeltieren zusehen und -hören. Anschließend wurde es etwas anstrengender aber dafür auch kurzweiliger. Der Weg führte über Steine und Wasserläufe durch das breite, mit Geröll übersäte Tal. Am Boden blitzte ab und zu etwas auf. Überrascht stellten wir fest, dass sich unter der Erde und den Steinen eine Eisschicht befindet. Auf der Similaun-Hütte waren wir auf über 3000m Höhe. Wir genoßen den Ausblick auf den Gletscher und das Bergpanorama, tief unten konnte man bereits den Stausee erkennen, von dem wir heute Nachmittag abgeholt werden.

Das erste Stück des Abstiegs war ziemlich steil, nach 45 Minuten wird es flacher, aber der Weg hinunter in das Schnalstal zog sich. Es dauerte noch über eine Stunde bis wir die Hütte über dem Stausee erreicht hatten. Alle waren sehr stolz darüber, dass wir es geschafft hatten – ein tolles Gefühl. Wir fuhren fast eine Stunde mit dem Bus bis Meran, wo wir unsere Unterkunft mit Mehrbettzimmer erreichten.

Wir waren sehr glücklich, eine gute Truppe erwischt zu haben – wir sind zusammen gewachsen und die vielen Eindrücke und atemberaubenden Ausblicke lassen uns diese perfekte Woche bestimmt nicht so schnell vergessen. Und es ist völlig egal, dass wir nicht komplett den „original“ E5 gelaufen sind, vielleicht hatten wir sogar die schönere Route.

Ich hatte eine rundum perfekte Woche!

Reisebericht und Fotos von Gerhard Eckert
Tourstart 28.08.2016
Tour: Alpenüberquerung – Genussvoll unterwegs